Was macht man, wenn man in den Suburbs bei Leipzig aufgewachsen ist und von einem Leben als Musikerin träumt? Im Fall von Marie Chain: raus, weg, Grenzen sprengen. Also schuftet sie in Nebenjobs, kratzt das Ersparte zusammen und zieht nach der Schule kurzerhand nach Barcelona, um ihren Traum in die Tat umzusetzen. In der Metropole tritt die Sängerin, Songwriterin und Pianistin anfangs auf der Straße und in Bars auf, spielt schon bald Shows von Schweden bis in die Schweiz, veröffentlicht in Eigenregie zwei Alben. Doch als Freigeist zieht es Marie Chain weiter. Sie siedelt um nach Berlin, während sie weiterhin um die Welt reist mit Stationen in London, New York und Austin/Texas, wo sie ihren eigenen Sound endgültig gefunden hat: Das Klavier und ihr kerniger Soulgesang ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr neues Album, das sowohl mit Pop als auch mit einem Hauch Jazz flirtet und an Filmmusik erinnert. Es ist nur logisch, dass Marie Chains Genre-Mix ebenso Grenzen sprengt wie sie selbst: der Glamour von Vintage Soul und die Emotionalität von Blues treffen bei ihr auf die Leichtigkeit von House. Marie Chain hat das Zeug zur nächsten deutschen Soul-Diva und ist gleichzeitig ein Kind des Pop – Musik der 50er und 60er, etwa von Ray Charles oder Etta James, inspirierten sie ebenso wie der Sound der 90er. Dass das kein Widerspruch sein muss, beweist die Künstlerin auf ihrem neuen Album mit dem passenden Titel: “Freedom”.
„Für mich ist 2020 das Jahr des Ausbruchs des Einzelnen aus gesellschaftlichen Normen und Unterdrückung”, sagt Marie Chain. „Mit meinem Album möchte ich Menschen dazu inspirieren, ihre eigene Freiheit selbstbestimmt zu leben – gerade jetzt ist das wichtig.“ Dazu bewegt haben sie unter anderem die Demos für Gleichberechtigung und Umweltschutz rund um den Globus. „Wir haben die Verantwortung, uns jetzt zu engagieren!”, sagt die Künstlerin. Doch mit Freiheit meint sie noch mehr: Es geht auf ihrem neuen Werk auch um die Auseinandersetzung mit äußeren Erwartungen und die Aushandlungen menschlicher Abhängigkeiten – etwa in Liebesbeziehungen.
Schon auf ihrem Debüt “Chainge”, auf dem sie den Wunsch nach innerer und äußerer Veränderung verarbeitet, wurde ihre Beschäftigung mit gesellschaftlichen Themen deutlich. Und das sind auf dem Album “Freedom” nicht nur etwa die Rechte von Menschen aus der LGBTQI+ Community, sondern immer auch Rollenbilder von Frauen. Denn trotz jahrelanger Erfahrung als Solo-Künstlerin, in Bands oder als Session- Musikerin und der Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten Kollegen, von Rappern wie Kontra K und Alligatoah bis hin zum Produzenten Charles „Chicky“ Reeves (James Brown, Prince, The Rolling Stones) oder Hansi Kecker (Game Of Thrones Live, Pet Shop Boys) wurde ihre Leistung oft nicht ernst genommen, nur weil ihre Form der Weiblichkeit eben eine ist, in der Selbstbestimmtheit und verruchte Pose mit Amy- Winehouse-Frisur sich eben nicht ausschließen. „Die Sexualisierung von Frauen geht mir richtig auf’n Sack!”, sagt Marie Chain. „Ich habe sowohl privat als auch beruflich leider schon einige schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht, die ich in meinen Songs verarbeitet habe. Ich hoffe sehr, dass ich mit meiner Musik andere Frauen ermutigen kann, für sich einzustehen!”
Marie Chain trinkt übrigens Whiskey am Liebsten und hat mit “Chain Rye Whiskey” ihre eigene Marke entwickelt. Denn für eine bessere Welt braucht es manchmal eben auch einen guten Tropfen – und die Musik von Marie Chain.